Vor einiger Zeit habe ich ein paar Tips zur Moderation von Videokonferenzen aufgeschrieben. Ich finde, die stimmen alle noch, auch wenn die Erfahrungen mit Instrumenten bei ganz vielen Leuten mittlerweile viel größer geworden sind.
Aber reicht das, um Bürgerbeteiligung in Zeiten von Corona umzusetzen? Einfach die Präsenzveranstaltung in eine Videokonferenz packen? Spoiler: Nein.
Beteiligung oder auch Kommunikation war schon immer mehr, als einfach Menschen in einen physischen oder virtuellen Raum zu stecken und zu erwarten, dass da schon was gutes bei rauskommt. Kommunikation ist ein komplexer Prozess und führt in der Regel zu Missverständnissen.
Neben zahlreichen Sichtweisen und Interessen, Zugängen, Ressourcen und Vorurteilen spielten immer schon Medien eine große Rolle bei guter oder schlechter Kommunikation. Von der kaum lesbaren PowerPoint mit zu viel und zu kleiner Schrift, die mit einem altersschwachen Beamer auf die suboptimale Leinwand projiziert wurde, über Fachvokabular, Denglisch und Akronyme bis hin zu Online-Plattformen, deren Aufbau und Bedienbarkeit sich stärker an Fähigkeiten und Bedürfnissen von Programmierer*innen als an denen von Bürgerinnen und Bürgern orientiert.
Jetzt – ohne die mehr oder weniger eingeübten Fähigkeiten der persönlichen Begegnung – wird alles noch ein bisschen schwieriger. Präsenzveranstaltungen, die vor ein paar Wochen noch mit Einschränkungen wie Abstand, Maske, Hygienekonzept und draußen halbwegs funktionierten, sind derzeit gar nicht möglich. Jetzt fragen sich viele nach Alternativen.
Nochmal verschieben in der Hoffnung auf weniger notwendige Einschränkungen? Alles online? Oder gemischt, bzw. hybrid, wie es gerne heißt? Was unterscheidet die drei Formate, was geht in welcher Variante und wie können sie vielleicht auch kombiniert werden?
Präsenzveranstaltungen
War auch mit Einschränkungen eigentlich ähnlich wie sonst auch – es wirkte nur ein bisschen wie eine Kunstinstallation mit den wenigen Menschen, die so verteilt im Raum saßen. Ohne jetzt hier einen Moderationsratgeber schreiben zu können, gibt es meines Erachtens drei einfache Regeln, wie jede Moderation besser wird:
- Ziel klären: Das ist so schlicht und gilt fast immer im Leben. Wenn ich weiß, wo ich hin will, ist es leichter zu entscheiden, ob ein Beitrag, ein Poster, ein Raum, ein Gesprächsformat, … dazu beiträgt, dass ich dort hin komme oder nicht. Das wichtigste bei Beteiligungsprozessen ist dabei, zu klären, ob es sich um Information, Konsultation (also das einholen von Einschätzungen und Stellungnahmen) oder um (Mit-)Entscheidung handelt.
- Interessiert Zuhören: Einfach wirklich interessiert sein an dem, was andere sagen. Das bedeutet nicht, dem inhaltlich zuzustimmen, sondern aus einer eher allparteilichen als aus einer neutralen Sicht neugierig zu sein. Wie kommen Sie darauf, das wäre mir jetzt nicht eingefallen? Was bringt Sie zu der Annahme? (Allparteilich meint, unterschiedliche Interessen im Blick zu haben auch wenn sie in der Veranstaltung nicht vertreten sind und darauf zu achten, dass möglichst keine Absprachen zuungunsten Dritter getroffen werden)
- Auf sich selbst achten: Einen der hilfreichsten Hinweise für gute Moderationen erhielt ich von einem Leiter einer Fortbildung in Systemischer Organisationsentwicklung: „Wenn es jemanden im Raum gibt, dem es besser geht als Dir, machst Du etwas falsch.“ Das ist zugespitzt der Hinweis, darauf zu achten, wie man selbst als Moderator/in reagiert. Wenn es angestrengt wird, läuft etwas falsch. Dann muss ich etwas verändern.
Hybrid / Wie Präsenz und Online verbinden?
Die einen oder anderen werden inzwischen auch schon sogenannte „Hybrid“-Veranstaltungen erlebt haben. Vortrag oder Diskussion mit Publikum vor Ort, verbunden mit Live-Streaming und der Möglichkeit, über ein Online-Tool (z.B. slido.com) Fragen oder Kommentare einzubringen.
Das oben für Präsenzveranstaltungen gesagte stimmt natürlich auch hier, muss aber vielleicht übersetzt werden. Vor allem ist darauf zu achten, jede mögliche Hürde zu beseitigen oder zumindest so niedrig wie möglich zu gestalten. Gerade netzaffine Akteure gehen oft davon aus, dass Alle einen Browser und Online-Tools genauso leicht bedienen können wie sie selbst. Das ist nicht der Fall.
Bei einer Veranstaltung vor einiger Zeit „verloren“ wir eine Teilnehmerin, weil die Notwendigkeit, in einem Fenster des Browsers die Videokonferenz zu verfolgen und in einem anderen Fenster auf einem virtuellen Whiteboard zu arbeiten, für sie nicht nachvollziehbar und nutzbar war. Das war sehr schade. Vielleicht hätte ein Vorbereitungstermin zum Technik-Check, den wir seitdem fast immer anbieten, geholfen.
Die Verbindung des Publikums „vor Ort“ und „an den Bildschirmen“ ist auch nicht trivial. Wenn man alle nur ein Online-Tool benutzen lässt, also auch die Menschen im Saal in ihre Handys tippen, wird die vor-Ort-Atmosphäre etwas skurril. Dadurch schafft man aber eine Gleichberechtigung, die beispielsweise bei einer Veranstaltung in Heidelberg zur Information über den Umbau eines Betriebshofes dazu führte, dass auch Positionen und Hinweise auftauchen, die sonst – in der Konkurrenz der Wortmeldungen und im „Scheinwerferlicht“ vor Ort – wohl nicht geäußert worden wären.
Online-Veranstaltungen
Für Online gilt was vor einiger Zeit in den Tips zur Moderation von Videokonferenzen aufgeschrieben habe. Zum einen, den/die Host (der/die für die technische Abwicklung zuständig ist) und die Moderation zu trennen.
Drei große Herausforderungen stellen sich nach meiner Erfahrung bei online-Veranstaltungen:
- Echter Kontakt: Es ist bei reinen Online-Veranstaltungen besonders wichtig, einen echten Kontakt zu den Teilnehmer/innen aufzubauen. Dies kann dadurch geschehen, dass man sich mehr Zeit für einen „Check-In“ nimmt, der auch persönliches enthalten kann. Oder durch Zwischenrunden mit kurzem Feedback in Form eines „Blitzlichts“. Hier werden meiner Erfahrung nach oft Teilnehmer/innen nicht mehr mitgenommen, weil vermeintlich „effizient“ eine Tagesordnung abgearbeitet wird. (Gilt natürlich auch für Präsenz und Hybrid)
- Wie die Interaktion gestalten? Melden und reden? Slido? Chat? Alles zusammen?
Eher operativ zu klären, aber für die Stimmung und den Ablauf sehr wichtig, besonders, wenn es um konfliktbeladene Situationen geht, ist die Art und Weise wie sich die Teilnehmer/innen einbringen. Je kleiner die Gruppe, desto leichter, wie auch in Präsenz. Die Videokonferenz- oder Webinar-Tools bieten oft die Möglichkeit des Handhebens und die Möglichkeit einen Chat zu benutzen. In externen Tools wie slido oder einem Etherpad oder Whiteboard lassen sich noch zusätzliche Rückmeldarten unterbringen. Wesentlich ist, vorher klar festzulegen, was über welchen Kanal laufen soll und das auch klar zu kommunizieren. - Den Überblick behalten über Struktur, Inhalt, Teilnehmer/innen und Energie:
Gerade in großen Gruppen und/oder Konfliktmoderationen gibt es viele Beiträge, die nicht immer von Disziplin bezüglich der Tagesordnung und von einer Etikette bezüglich des gegenseitigen Respekts geprägt sind. In diesen Fällen sind die drei bei der Präsenzveranstaltung genannten Aspekte: Ziele, Zuhören und auf sich selbst achten besonders wichtig. Unterstützt wird das ganze von einer klaren Struktur, die klar kommuniziert wird und im Idealfall die ganze Zeit sichtbar oder sehr leicht einblendbar ist (aus einem zusätzlichen Fenster oder einem Papier-Flip-Chart hinter dem Schreibtisch).
Es klingt komplizierter als es ist. Gute Moderation online ist für uns alle oder zumindest für sehr viele noch immer Neuland (um die Formulierung, die Frau Merkel vor einier Zeit zum Internet prägte, zu übernehmen).
Nut Mut. Probieren Sie es aus. Lernen Sie. Miteinander. Vielleicht ist das sogar ein guter Schritt zu mehr Verständigung, wenn im Tun begreifbar wird, dass nicht immer alles perfekt läuft und auch gar nicht perfekt laufen muss, sondern gut. Und was das ist, erleben die Menschen unterschiedlich, aber sie erleben es in der Regel erst, wenn es tatsächlich passiert. Und es passiert nur, wenn es eine/r macht.
Wenn Sie Fragen haben, melden Sie sich gerne: lobeck@promediare.de
Weitere Blogbeiträge zum Thema Moderation finden Sie hier
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Der Autor: Michael Lobeck
Ich moderiere Veranstaltungen und berate öffentliche und private Akteure zu guter Kommunikation in der Stadtentwicklung. Ich halte auch Vorträge zu Sinn und Unsinn von Smart Cities und schreibe Bücher zu dem Thema. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, was ich für Sie tun kann, melden Sie sich gerne bei mir.
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