Kaufen auf Rädern – Der Einzelhandel und das Auto /
Podiums- und Publikumsdiskussion am 10.2.2020 in der VHS
Vertreter*innen von IHK, VCD, ADFC und Einzelhändler diskutierten über den Verkehr der Zukunft in Bonn und ich durfte moderieren.
Zwei Gemeinsamkeiten ließen sich feststellen:
- Die Förderung von Fuß- und Radverkehr sowie des ÖPNV scheint unstrittig bei allen Diskutant*innen.
- Der Verkehr durch Berufspendler*innen ist ein erhebliches Problem für Bonn, dass dringend und umfassend angegangen werden muss.
Die Auswirkungen der jüngsten Entscheidungen zum City-Verkehr wurden jedoch unterschiedlich bewertet.
Mein Fazit des Abends insgesamt:
- Pendler*innen Alternativen anbieten
- Fuß-, Radverkehr und ÖPNV stärken
- Ein Masterplan für Wohnen, Arbeiten und Verkehr muss her
- Die Erreichbarkeit nicht schlecht reden
Bekommen kleine Händler Schwierigkeiten ohne City-Ring?
Während Prof. Dr. Stephan Wimmers, Geschäftsführer der IHK Bonn / Rhein-Sieg, davon ausging, dass der fehlende Cityring es insbesondere spezialisierten inhabergeführten Händlern schwerer mache, bestimmte einkommensstarke Käufer zu erreichen, die gerne mit dem Auto kommen, schien dies für Dr. Rochlitz vom VCD Bonn/Rhein-Sieg nicht nachvollziehbar. Neben ihm betonten mehrere Teilnehmer*innen, dass auch ohne Ringverkehr alle Parkhäuser um die City für PKW weiterhin gut erreichbar blieben. Das sollte auch nicht ohne Not schlecht geredet werde – sonst glaubten es die Umlandbewohner*innen noch.
Die These von Prof. Wimmers, dass spezialisierte, inhabergeführte Geschäfte auch auf Kund*innen angewiesen seien, die mit dem Auto kommen wollten, wurde nicht grundsätzlich, aber in Bezug auf ihre Auswirkungen angezweifelt. Dass nur ein Teil dieser Kund*innen zum Umstieg auf Rad oder ÖPNV zu bewegen sei und der Rest in andere, mit dem Auto subjektiv besser erreichbare Kommunen abwandere, wurde noch nachvollzogen.
Allerdings wurde darauf hingewiesen, dass die Bedeutung der Autokunden von den Einzelhändlern immer überschätzt würde. Ein zusätzliches Argument sei noch, dass in Bonn besonders Einwohner mit hohem ökonomischem Haushaltsstatus häufig das Fahrrad nutzten. Durch die Bedeutung dieser Kund*innen und durch eine vermutete höhere Attraktivität einer autofreieren Innenstadt, die zu mehr Einzelhandelsumsatz führen würde, könnten Umsätze solcher Kund*innen kompensiert werden. (s.a. Links am Ende des Artikels)
Pendlerverkehr als eigentliches Problem?
Der Pendlerverkehr sei das eigentliche Problem für die Bonner Verkehrsinfrastruktur. Wenn man den erheblich reduzieren könne, sei die Regelung des Einkaufsverkehrs eine untergeordnete Herausforderung. Hier krisierten der IHK-Geschäftssführer und mehrere Vertreter*innen von VCD und ADFC gleichermaßen zu geringe Abhilfe durch den Aufbau von Park- und Ride-Stationen im Umland, die als Mobilitätsstationen auch den Umstieg auf Fahrgemeinschaften, den ÖPNV oder das Fahrrad gut ermöglichen sollten. Wäre hier vielleicht eine Koalition von IHK mit de Verkehrsverbänden denkbar, um die Stadt zu unterstützen, mehr und schneller in diese Richtung handeln zu können?
Fahrradfreundliche IHK?
So ganz geglaubt wurde Prof. Wimmer die Fahrradfreundlichkeit der IHK aber dann doch nicht. Bei der Umgestaltung des Bonner Talwegs hätte die IHK sich beispielsweise gegen einen Ausbau eines Radwegs ausgesprochen. Dies hätte daran gelegen – so Wimmers – dass die lokalen Händler, die Mitglied seiner Kammer sind, dies so gewünscht hätten. Das Parken in der zweiten Reihe am Talweg würde von vielen Kunden genutzt und sei daher wichtig für die Läden.
Auch wurde von vielen Teilnehmer*innen das generelle Engagement der IHK für eine Verkehrswende vermisst. Wenn sie den Ausbau und die Unterstützung von Rad- und Fußverkehr und ÖPNV begrüße, solle sie sich auch stärker engagieren und auch politisch positionieren.
Wohnen, Arbeiten und Verkehr in Bonn
Schließlich wurde noch das übergeordnete Thema einer Unausgewogenheit von Wohnen, Arbeiten und Verkehr in Bonn angesprochen. Es wurde darauf hingewiesen, dass es für die Entwicklung Bonns eines integrierten Konzepts bedürfe, eines Masterplans, der diese wechselseitigen Abhängigkeiten reflektiere und die gesamte Stadtentwicklung berücksichtige. Hier stellt sich für mich die Frage, ob die IHK nicht – als Körperschaft des öffentlichen Rechts, die die Interessen nachhaltiger Wirtschaft vertreten soll – als Akteur zu einer übergreifenden Verständigung einladen oder zumindest eine solche anregen kann. Vielleicht mit anderen, zivilgesellschaftlichen, Akteuren wie zum Beispiel dem BDA, dem BDB oder dem Forum Stadt Bau Kultur.
Kleine Geschäfte in Ortsteilen auf Parkplätze angewiesen
Im Nachgang wurde von einem Einzelhändler aus dem Beueler Stadtteilzentrum noch darauf hingewiesen, dass für kleinere Fachgeschäfte die Erreichbarkeit für Kunden aus der Region wichtig sei. Diese seien oft auf das Auto angewiesen, so dass Parkplätze in der Nähe der Geschäfte diesen Kundinnen und Kunden einen Besuch ermöglichten. Kleinere Fachgeschäfte können oft auf diesen Kundenanteil nicht verzichten.
Vielen Dank an Werner Böttcher (ADFC) für die Literaturhinweise:
Dilba, Denis (2019): Per Auto oder zu Fuß: Wie die Kunden zum Einzelhandel kommen. heise online News 11/2019. (html)
New York City, Department of Transportation (2012): Measuring the Street: New Metrics for 21st Century Streets. (pdf)
Die Information der Radfahrer*innen mit hohem ökonomischem Haushaltsstatus stammt aus dem Vortrag „Mobilität in Deutschland. Wenig Bewegung in Bonn“ von Robert Follmer von infas vom 5.2.2020 in der Volkshochschule. Die Folien dieses Vortrags sind auf der Seite der VHS verfügbar (pdf).
Weitere Artikel zur Moderationen finden Sie hier.
Weitere Artikel zu Stadtentwicklung finden Sie hier.
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Der Autor: Michael Lobeck
Ich moderiere Veranstaltungen und berate öffentliche und private Akteure zu guter Kommunikation in der Stadtentwicklung. Ich halte auch Vorträge zu Sinn und Unsinn von Smart Cities und schreibe Bücher zu dem Thema. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, was ich für Sie tun kann, melden Sie sich gerne bei mir.
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