Tagung „Smart City konkret“ – Kommunen als Getriebene?

Foto von Teilnehmer*innen der Tagung Smart City konkret am 10.2.2017 im Geographischen Institut der Universität Bonn

Foto: Michael Lobeck, Lizenz CC-BY 4.0 deutsch

Rund 50 Teilnehmer*innen trafen sich am Freitag, 10.2.17, im Geographischen Institut der Uni Bonn um bei der Tagung „Smart City konkret“ über Chancen und Risiken des Smart City Konzepts für Kommunen zu diskutieren. Die Bilanz: Erst Ziele setzen, dann Technik diskutieren. Die bleibende Frage: Können Kommunen das Thema überhaupt noch gestalten – oder reagieren sie nur?
UPDATE 3.3.17: Die Vortragsfolien sind jetzt zum Download verlinkt.

Sieben Referent*innen erläuterten aus unterschiedlichen Perspektiven verschiedene Aspekte des Smart City Konzeptes und seiner Auswirkung auf Stadtentwicklung.

Schnell wurde klar, dass es keine klare Definition gibt und auch nicht geben kann. Jede Kommune – ob groß oder klein – muss ihre eigenen Schwerpunkte setzen und klären, welche Ziele mit ihrer Stadtentwicklung verfolgt werden sollen und darauf aufbauend prüfen, welche Elemente von Digitalisierung vorrangig und gewünscht sind.

Das Thema Datenschutz und die Frage, wer den überhaupt über Daten verfügen kann, zog sich durch fast alle Vorträge. Die Idee, ob nicht Kommunen selbst Daten durch Sensoren erheben und datenschutzrechtlich unbedenklich verarbeiten sollten, statt sie von Unternehmen mit zweifelhaftem Datenschutzverständnis zuzukaufen, fand einige Anhänger*innen.

Foto einer Überwachungskamera an einer Hausfassade

Foto: lacarabeis, Lizenz: CC0, pixabay.com

Nach einer Einführung, in der ich – nach einem Überblick über die Tagaung – betont habe, dass eine normative Debatte um die Ziele von Stadtentwicklung entscheidend ist, bevor über den Einsatz von Technologie gesprochen wird, wurden Beispiele aus dem In- und Ausland diskutiert, die Rolle unterschiedlicher Akteure hinterfragt und die Auswirkungen in den Bereichen Einzelhandel und Beteiligung dargestellt.
(Hier finden Sie die Folien meines Vortrags zum Download)

Eva Schweitzer vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) stellte zu Beginn Städte vor, die in unterschiedlicher Weise einen Smart City-Ansatz verfolgen. Neben Kopenhagen, Wien und Amsterdam zeigte sie auch an Beispielen aus Hamburg und Berlin Tendenzen und Optionen der Entwicklung auf. Eine wichtige Frage ist die Einbindung der Zivilgesellschaft, die allzu oft nur als „User“ von Technologie in den Konzepten auftaucht. Sie hat zum Thema „Smart Cities International“ auch eine interessante Publikation veröffentlicht. Der Beitrag ist hier online erhältlich (pdf, 1,7 MB).

Stephan Günthner, ebenfalls vom BBSR, erläuterte die Forschungsaktivitäten des Bundesinstituts zu diesem Thema und stellte erste Ergebnisse daraus vor. Es müsse in der Diskussion nicht nur um „Smart Cities“ als Konzept gehen, sondern um die historisch gewachsene europäische Stadt und ihre bürgerliche Gesellschaft im Zeitalter der Digitalisierung. Smarte Technologien hätten Innovationspotenzial für wirtschaftliche und ökologische Effizienz, für eine starke europäische Wirtschaft, für mehr Transparenz, Kontrolle und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Hand (und der Kommunalpolitik), die genutzt werden sollten.
(Hier finden Sie die Folien des Vortrags von Stephan Günthner zum Download)

Cover des Heft 1/2017 der Informationen zur Raumentwicklung (IzR) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschnung (BBSR)

Die Zeitschrift Informationen zur Raumentwicklung des BBSR wird sich in Kürze im Heft 1/2017 dem Thema Smart Cities widmen. Hier eine Kurzinfo und Bestellmöglichkeit.

Folie aus der Präsentation von Franz-Reinhard Habbel zum Wettbewerb "Digitale.Stadt" bei der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie DVAG und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie DGfG am 10.2.2017 in Bonn

Franz-Reinhard Habbel, Beigeordneter und Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes machte in seinem inspirierenden Vortrag deutlich, dass er riesige Chancen in den Optionen der Digitalisierung sieht, die aber von deutschen Kommunen derzeit noch zu zaghaft genutzt werden. Kleinteilige Weiterentwicklungen seien eher zu finden als disruptive Neuigkeiten. Die zu begrüßenden einheitliche Behördennummer 115 sei beispielsweise von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr erreichbar. Vielleicht könnte ein Chatbot da weiterhelfen?

Titelfolie der Präsentation von Dr. Frank Schmidt, T-Systems International, bei seinem Vortrag "Smart City konkret: Die Sicht der Deutschen Telekom" bei der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie in Kooperation mit dem Arbeitskreis Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn

Dr. Frank Schmidt von T-Systems International GmbH, Leiter des Konzerngeschäftsfeldes Energie der Deutschen Telekom, zeigte anhand von verschiedenen Beispielen das Engagement der Deutschen Telekom im Themenfeld Smart Cities auf und erläuterte, warum die Telekom in Mittel- und Osteuropa dazu bisher mehr unternimmt als in Deutschland. Am Beispiel einer Lösung für das Parken in Innenstädten zeigte er die Optionen vernetzter Sensorik, Kommunikationstechnologie und Dienstleistungen auf.
(Hier finden Sie die Folien des Vortrags von Dr. Frank Schmidt zum Download)

Foto eines ehemaligen Ladenlokals in Los Angeles 2010 mit dem Text "We have moved to the Internet" im ehemaligen Schaufenster.

Prof. Dr. Claus-Christian Wiegandt vom Geographischen Institut der Universität Bonn erläuterte u.a. anhand von zwei Studienprojekten Tendenzen des Online-Handels und dessen Relevanz für die Innenstädte. In einem Projekt wurde die Internet-Affinität des Bonner Einzelhandels untersucht. Filialisten schnitten hier besser ab als inhabergeführte Geschäfte. In einem zweiten Projekt wurden ca. 3.000 Bürger*innen im Umfeld von sechs Großstädten NRWs zu ihrem Einkaufsverhalten mit Blick auf online/offline befragt. Ein Mix von online und offline wird immer mehr zur Regel. Lebensstil und Alter scheinen mehr Einfluß zu haben als Geschlecht und Haushaltseinkommen.
(Hier finden Sie die Folien des Vortrags von Prof. Dr. Claus-Christian Wiegandt zum Download)

Dr. Oliver Märker, geschäftsführender Gesellschafter von Zebralog erläuterte Chancen und Grenzen, die sich durch Online-Partizipation für Kommunen und Bürger*innen ergeben. Auch wenn E-Partizipation heute wesentlich selbstverständlicher sei als noch vor zehn Jahren, gebe es immer noch zahlreiche Unsicherheiten und Missverständnisse – besonders in der Politik. Eine repräsentative Erhebung von Meinungen sei beispielsweise mit diesen Instrumenten weder angestrebt noch zu erreichen. Eine intelligente crossmediale (Kombination online und offline) Gestaltung brächte qualitativ hochwertige Ergebnisse und ermögliche den Beginn einer neuen Gesprächsebene zwischen Bürger*innen, Verwaltung und Politik.
(Hier finden Sie die Folien des Vortrags von Dr. Oliver Märker zum Download)

Der abschließende Austausch zu der Frage, wie Smart-City-Konzepte – nach allem gehörten – denn für Kommunen sinnvoll nutzbar seien, ergab neben zahlreichen konkreten Ansätzen auch die Frage, ob Kommunen denn überhaupt noch Gestalter des Prozesses seien könnten oder einer unabhängig von ihnen stattfindenden Entwicklung nur hoffnungslos hinterherlaufen würden oder gar ausgeliefert seien.

Hier eine Auswahl von Stichworten aus der abschließenden Diskussion:

Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn.Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "Von Zielen her denken. Gemeinwohlperspektive: Wem nützt / Wer nutzt SmartCity?" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "Transparenz von Entscheidungsprozessen. Akzeptanz von Projekten / Planungen"Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "Optimierung Standortfaktoren. Kundennähe: E-Government / Prozessoptimierung"  Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "Augenöffner für Komplexität und Vielfalt" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "Recht auf Daten?" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "Spannungsfeld Ökologie/Soziales zu Ökonomie ausloten" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "Wenn es Nutzen für das Gemeinwohl bringt" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "nicht nur digital" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "lokale Strategie unter Berücksichtigung der Gegebenheiten / Stärken" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "lokal angepasst" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "Kann Mittel für eine lebenswerte(re) (nicht nur effiziente) Stadt sein" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "Bestsehende Kompetenzen sinnvoll zusammenführen: 1. Strategie, Ziele definieren, 2. digitale Umsetzung" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "Wenn die Geschäftsmodelle, die damit verbunden sind, offengelegt werden." Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "Rolle der Online-Beteiligung vermitteln (Entscheidungsvorbereitung, nicht Entscheidung)" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "stationären Einzelhandel digitalisieren" Stichworte aus der Abschlussdiskussion der Tagung "Smart City konkret" des Arbeitskreises Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie am 10.2.2017 in Bonn: "bottom-up und top-down"

Die Tagung wurde vom Arbeitskreis Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie in Kooperation mit dem Arbeitskreis Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie in den Räumen des Geographischen Instituts der Universität Bonn durchgeführt. Das hohe Interesse, der engagierte Austausch und die positiven Rückmeldungen regen zu einer Neuauflage in 2018 an.

Hier finden Sie die Folien einiger Vorträge zum Download:
Michael Lobeck, Chancen und Herausforderungen des Smart City – Konzepts
Stephan Günthner: Smart Cities: Hintergrund und Aktivitäten des BBSR
Dr. Frank Schmidt: Smart City konkret: Die Sicht der Deutschen Telekom
Prof. Dr. Claus-Christian Wiegandt: Smart City konkret – Kommunaler Einzelhandel unter Druck
Dr. Oliver Märker: E-Partizipation als Selbstverständlichkeit?

Das Programm der Tagung finden Sie hier zum Download.

 

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Portraitfoto Michael LobeckDer Autor: Michael Lobeck
Ich moderiere Veranstaltungen und berate öffentliche und private Akteure zu guter Kommunikation in der Stadtentwicklung. Ich halte auch Vorträge zu Sinn und Unsinn von Smart Cities und schreibe Bücher zu dem Thema. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, was ich für Sie tun kann, melden Sie sich gerne bei mir.

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