Vor drei Wochen hatte ich das Vergnügen, eine Informationsveranstaltung der Stadt Wuppertal zur Planung einer forensichen Klinik zu moderieren. Ca. 250 Bürgerinnen und Bürger waren in die Gesamtschule Wuppertal Barmen gekommen, um sich zu informieren, Fragen zu stellen und auch ihren Unmut zu äußern. Eine spannende Veranstaltung.
Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, Barbara Steffens, war auf Einladung des Oberbürgermeisters Andreas Mucke nach Wuppertal gekommen, um mit ihm gemeinsam den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, warum eine forensiche Klinik in Wuppertal gebaut werden soll und auf welchem Standort.
Zur Vorgeschichte und den Rahmenbedingungen:
Straftäter, die von Landgerichten aufgrund einer psychischen Krankheit als nicht schuldfähig eingestuft werden, werden nach §63 oder 64 Strafgesetzbuch in eine forensiche Klinik eingewiesen, „wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist“ (§63 StGB). Die Klinik hat das Ziel, die PatientInnen zu therapieren und so eine weitere Straftat zu verhindern. Psychisch kranke StraftäterInnen verbleiben solange im sogenannten Maßregelvollzug, bis sie als geheilt entlassen werden können und keine Gefährdung der Bevölkerung mehr von ihnen ausgeht.
Dem Land fehlen Plätze für die bevorzugt wohnortnah angestrebte Therapie. Daher wurden im Jahr 2011 die Gemeinden in fünf Landgerichtsbezirken, in denen im Vergleich zu den Einweisungszahlen Therapieplätze fehlen, angeschrieben, mit der Bitte Grundstücke zu benennen, die für die Ansiedlung einer forensichen Klinik geeignet wären. Keine Gemeinde konnte ein Grundstück finden, so die Ministerin.
Daraufhin hat das Land selbst nach Standorten auf dem freien Immobilienmarkt, in eigenem Eigentum und möglichen Standorten des Bundes gesucht. Hierbei ist es in Wuppertal auf den Standort „Lichtscheid“ gestoßen. Hier besitzt das Land eine Liegenschaft, die derzeit von der Polizei genutzt wird. Nach der öffentlichen Mitteilung, diesen Standort mit einer forensischen Klinik für ca. 150 psychisch kranke Straftäter bebauen zu wollen, hat der Rat der Stadt beschlossen, dass das Gelände dafür nicht geeignet sei, da die Stadt dort lieber ein Wohngebiet entwickeln wollte.
Anschließend gab es das Angebot der Bergischen Diakonie Aprath, die geplante forensische Klinik auf ihrem Gelände einzurichten. Nach längeren Verhandlungen kam eine Kooperation aber nicht zustande. So favorisierte das Land wieder Lichtscheid, welches die Stadt weiterhin ablehnte. Als die Stadt realisierte, dass sie den Bau in Wuppertal nicht würde abwenden können, machte sie dem Land das Angebot auf der sogenannten „Kleinen Höhe“ einem landwirtschaftlich genutzten Raum, der im Flächennutzungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen ist, eine Fläche zur Verfügung zu stellen.
Unter der Voraussetzung, dass die Stadt dort bis Ende 2017 Baurecht für die forensiche Klinik schaffen kann, will das Land dann dort die Klinik bauen und auf den Standort „Lichtscheid“ verzichten.
In der Bevölkerung gab es von der ersten Ankündigung des Ministeriums an Protest gegen den Standort Wuppertal und spezielle gegen die Standorte „Lichtscheid“ und „Kleine Höhe“. Die Bürgerinitiativen „Keine Forensik auf Lichtscheid„, „Kleine Höhe“ und die „Elterninitative Kleine Höhe„
Die Stadt bot gemeinsam mit dem Land mit der Informationsveranstaltung am 11.2.2016 in der Gesamtschule Wuppertal Barmen die Möglichkeit, Fragen zum Verfahren zu stellen und die eigene Einschätzung öffentlich zu machen. Nach der Begrüßung von Oberbürgermeister Andreas Mucke und der Ministerin Barbara Steffens stellte der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug Uwe Dönisch-Seidel die Grundlagen für den Bau von forensischen Kliniken vor. Die Folien seines Vortrages (pdf, 1 MB) sind auf der Webseite der Stadt Wuppertal zum Bau der forensichen Klinik dokumentiert.
Anschließend erläuterte Ministerin Steffens die Entwicklung des Prozesses und das Verfahren des Landes, das zu einer Auswahl des Standortes „Lichtscheid“ führte. Sie sagte insbesondere, dass die anderen geprüften Standorte und die Ergebnisse des Bewertungsverfahrens bis zum Abschluss des Verfahrens nicht öffentlich gemacht würden. Dies sei in laufenden Verfahen unüblich und verhindere auch, dass die Standorte gegeneinander ausgespielt würden und das Land an mehr als 30 Standorten Diskussion führen müsse.
In den folgenden zwei Stunden hatten die Bürgerinnen und Bürger Gelegenheit den Vertreterinnen und Vertretern von Stadt und Land auf dem Podium Fragen zu stellen.
Folgende Themen waren in meiner Erinnerung die wichtigsten:
- Die Bürgerinnen und Bürger wollten Einblick in das Bewertungsverfahren des Landes und dessen Ergebnisse bekommen, um nachvollziehen zu können, ob die „Kleine Höhe“ wirklich besser geeignet wäre als andere Flächen im Landgerichtsbezirk, was sie bezweifelten.
- Die Bürgerinnen und Bürger betonten den Wert der „Kleinen Höhe“ als Freiraum, der unter temporärem Landschaftsschutz stehe. Die Einstufung als Gewerbegebiet im Flächennutzungsplan stamme aus den 70ern und würde heutigen Kritierien des Umweltschutzes nicht standhalten.
- Landwirte wiesen darauf hin, dass die Fläche als landwirtschaftliche Nutzfläche wichtig sei.
Die Antworten des Podiums waren im wesentlichen:
- Das Land hat als Priorität weiterhin „Lichtscheid“. Wenn die Stadt aber die „Kleine Höhe“ zur Verfügung stellt, würde das Land dort bauen, allein schon deshalb, weil sie in einem Gerichtsverfahren, dass die Stadt bei einem Bau auf „Lichtscheid“ anstrengen würde, verlöre.
- Die Vertreter der Stadt betonten, dass der Rat mehrfach beschlossen hätte, dass „Lichtscheid“ nicht für einen Bau in Frage komme, da dort andere stadtentwicklungspolitische Ziele (Wohnungsbau) verfolgt würden.
Mein Dank als Moderator gilt sowohl den Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmern, die aus meiner Sicht sehr klar und verbindlich ihre Position und getroffene Entscheidungen deutlich gemacht haben, als auch den Bürgerinnen und Bürgern, die sehr nachdrücklich aber bei aller Emotion sehr sachorientiert ihre Fragen und Proteste einbrachten. Besonders die Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinitativen „Keine Forensik auf Lichtscheid„, „Kleine Höhe“ und „Elterninitative Kleine Höhe„, die selbstverständlich auch alle anwesend waren, haben viele Nachfragen an das Verfahren gestellt, die zwar die Entscheidungen der Amtsträger von Stadt und Land in Frage stellten, die Personen aber respektierten.
Den Bürgerinnen und Bürgern bleibt jetzt noch die Beteiligung im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans (§ 3 BauGB) und der Einfluss auf die Ratsmitglieder, die den Bebauungsplan nach Fertigstellung dann beschließen müssen. Nachdem der Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Bauen in seiner Sitzung am 25.2.16 (Tagesordnung Punkt 7.2) bei vier Gegenstimmen für die Aufstellung eines Bebauungsplans für den Bau einer forensischen Klinik auf der „Kleinen Höhe“ gestimmt hat, werden von der Verwaltung jetzt die Voraussetzungen für den Bebauungsplan geprüft.
Die Verteter der Verwaltung haben in der Veranstaltung angekündigt, dass die Bürgerinnen und Bürger ausführlich über den jeweiligen Stand informiert und in thematischen „Runden Tischen“ in die Erarbeitung einbezogen werden sollen.
Bei Interesse können Sie einen Videomitschnitt der Veranstaltung auf der informativen Forensik-Informationsseite der Stadt Wuppertal ansehen:
- Teil 1 (Infos über Maßregelvollzug)
- Teil 2 (Ministerin Steffens zum Verfahren)
- Teil 3 (Fragen der Bürgerinnen und Bürger)
Die Positionen der Bürgerinitiativen finden Sie auf deren Homepages:
Informationen über den Maßregelvollzug finden Sie auf den Seiten des Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug NRW.
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