Und? Muss sich Stadtplanung neu erfinden? Ja und Nein. Die mehr als 40 TeilnehmerInnen der Fachtagung zur Zukunft der Stadtplanung sahen sowohl viel bewahrenswertes in der aktuellen Stadtplanung als auch Veränderungsbedarf – zumindest, wenn die Planung in der Zukunft noch gestalten will und ernstgenommen werden will.
Der Arbeitskreis Stadtentwicklung des Deutschen Verbands für Angewandte Geographie (DVAG) hat die Tagung in Kooperation mit der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung SRL organisisert.
Drei Exkursionen und sechs Vorträge dienten als Diskussionsanregungen.
Dr. Stefan Köhler, Erster Bürgermeister Friedrichshafen, stellte das integrierte Stadtentwicklungskonzept Friedrichshafens vor. Seit 2011 habe die Stadt Friedrichshafen einen Planungskodex verabschiedet, der bei Bauvorhaben auf städtischen Grundstücken neben einem konkurrierenden Verfahren mit mehreren Planungsbüros auch ein der Bauleitplanung vorgelagertes Workshop-Verfahren zur Bürgerbeteiligung vorsehe.
Prof. Dr. Karen van den Berg, die an der Zeppelin Universität Friedrichshafen zu Kunsttheorie und inszenatorischer Praxis lehrt und forscht, stellte in einem insprierenden Vortrag Beispiele zur Kunstpraxis als Instrument urbaner Raumplanung vor. Künstlerische Praxis heute mischt sich häufig ein in gesellschaftliche Aushandlungsprozesse zum Beispiel in der Stadtgestaltung. Unter anderem erläuterte die Referentin das Beispiel der Planbude in Hamburg, mit der verschiedene KünstlerInnen sich in die Neugestaltung des Areals der ehemaligen Esso-Häuser in St. Pauli eingemischt haben.
Ob Stadtplanung und Stadtmarketing als gute Freunde bezeichnet werden können, diskutierte Thomas Goldschmidt, Geschäftsführer der Stadtmarketing Friedrichshafen GmbH. Neben vielen gleichen Interessen und Ansprechpartnern, die die Zusammenarbeit in der Regel unkompliziert machten, identifizierte er auch Unterschiede, die aus der jeweiligen Eigenlogik der Bereiche resultierten. Die Stadtplanung müsste im Gegensatz zum Stadtmarketing häufiger Abwägungen auch mit den Interessen von sich nicht einbringenden Gruppen der Stadtgesellschaft vornehmen und habe tendentiell einen zeitlich längeren Horizont im Blick.
Ich habe dann darüber gesprochen, was „Smart City“-Konzepte für Planungspraxis und Stadtpolitik bedeuten können. Ausgehend von der These, dass die Kommunikation, aus der Stadtentwicklungspolitik hauptsächlich besteht, sich in den letzten Jahren grundlegend verändert habe, habe ich behauptet, dass eben diese Kommunikation von Seiten der Planung und Politik nicht steuerbar sei. Die städtischen Akteure kommen nicht umhin, zu akzeptieren, dass ein Großteil der Stadtentwicklung bestenfalls mit Ihnen, aber nicht gesteuert durch sie stattfindet. Um hiermit souverän umzugehen, müssen sie tatsächlich ziemlich viel – besonders ihre Haltung – neu erfinden. (Die Folien zu meinem Vortrag – versehen mit erklärenden Kommentaren – finden Sie auf SlideShare).
Rüdiger Krisch, Architekt und Stadtplaner aus Tübingen und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen hat in seinem Vortrag „Gute Praxis – Schlechtes Beispiel – Erkenntnisvermittlung im Städtebau“ deutlich gemacht, dass große Teile des deutschen Planungsrechts eine hervorragende Grundlage für die Gestaltung unserer Städte darstellt, um die uns viele andere Länder beneiden. In der Umsetzung vor Ort gäbe es jedoch häufig nicht den Mut, Regeln nicht nur zu setzen sondern auch dann einzuhalten, wenn wichtige lokalpolitische Akteure Ausnahmen von beschlossenen Plänen durchsetzen wollten.
Den Blick der Tagung um internationale Diskussion erweitert hat Dr. Detlef Schreiber von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Er hat in seinem Vortrag einen Überblick gegeben, zu Anstrengungen, das Thema Ressourceneffizienz als Aufgabe der Stadtplanung zu etablieren. Dabei ist deutlich geworden, das in der internationalen Perspektive die Rolle und Bedeutung der Städte für eine nachhaltige Entwicklung zwar grundsätzlich erkannt worden ist, es aber noch kaum Strukturen und Ressourcen gibt, die es erlauben die kommunale Perspektive in internationale Abkommen zur Nachhaltigkeit einzubringen.
Drei Exkursionen in Friedrichshafen und Ravensburg gaben den TeilnehmerInnen die Möglichkeit, zahlreiche in den Vorträgen angesprochenen Aspekte vor Ort zu reflektieren. An eindrucksvollsten für mich war dabei der Besuch bei der Initiative „Die blaue Blume“ in Friedrichshafen, einer Initiative für eine andere Art der Stadtgestaltung. Gemeinsam mit interessierten BürgerInnen gestalten die Mitglieder Projekte und Workshops, die die Stadt gestalten. „Wir sind die Stadt und wir machen täglich Stadtentwicklung – ganz unabhängig davon, ob die Stadplanung das so sieht.“
Einen herzlichen Dank an Burghard Rauschelbach und Christian Storch, die die Tagung gemeinsam vorbereitet haben.
Einen Blog-Beitrag zur Ankündigung der Veranstaltung finden Sie hier.
Ansprechpartner für weitere Fragen zur Veranstaltung:
Burghard Rauschelbach, Friedrichshafen, rauschelbach.burghard@web.de
Christian Storch, Ravensburg, post@chstorch.de
Weitere Blogartikel zum Thema Stadtentwicklung finden Sie hier.
Wenn Sie an Impulsvorträgen oder Workshops zu Smart City-Konzepten in Ihrer Kommune Interesse haben, melden Sie sich doch einfach unverbindlich. Gerne kläre ich mit Ihnen, wie ich Sie bei einer sinnvollen Smart City-Strategie unterstützen kann.
Die Blaue Blume – verwunderlich (positiv!), dass so etwas im grauen Friedrichshafen blüht.