Auf der Veranstaltung „Stadtgestaltung im Dialog“ zum Bauvorhaben auf dem ehemaligen Opel-Gelände an der Reuterbrücke wurden Fragen zur baulichen Gestaltung, zur Grundstücksausnutzung und zum Stadtklima intensiv diskutiert.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich uneins in der Bewertung der Frage, ob das Bauvorhaben der Garbe Bonn GmbH & Co.KG, Hamburg, das durch einen intensiven Austausch mit einer lokalen Bürgerinitiative mehrfach angepasst worden ist, in seiner jetzigen Form lokal verträglich ist oder nicht.
Die Veranstaltung, die gemeinsam vom Bund deutscher Architekten BDA Bonn-Rhein-Sieg, der Volkshochschule VHS Bonn und mir durchgeführt wurde, hatte zwei Ziele. Zum einen sollte geklärt werden, was es mit dem Bauen an der „meistbefahrenen Güterstrecke Europas“ auf sich hat, wie das Bauen an einem solchen Ort gelingen kann. Zum anderen wollten wir die Frage erörtern, wie ein Ausgleich von Interessen zwischen Investor, Bürgerschaft und Stadt gelingen könnte.
Zur ersten Frage erläuterte Herr Sommer von LRW Architekten aus Hamburg die planerischen Lösungen. Zum einen werden das Gelände durch einen 5-geschossigen Bauriegel mit Staffelgeschoß von der Bahn abgeschirmt. In diesem Bauriegel werden in allen Wohnungen konsequent nur Bäder, Abstellräume und Kochküchen zur Bahn hin orientiert, die Aufenthalts- und Schlafräume orientieren sich bahnabgewandt. Das das Gelände mit der Nordost-Seite zur Bahn ausgerichtet ist, ist diese Lösung möglich. Ursprünglich geplante Lärmschutzloggien auch zur Bahnseite hin wurden nach Abstimmungen mit der Verwaltung verworfen.
Herr Schwolow vom Büro ulrich hartung aus Bonn, das für den Investor den vorhabenbezogenen Bebauungsplan betreut, stellte die Historie der Entwicklung dar. 2012 erwarb die Garbe Immobilien das Grundstück, auf dem bis einige Jahre zuvor ein Opel-Autohaus betrieben wurde. Im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbs wurden Planungsoptionen erörtert und das Büro LRW Architekten ausgewählt, die Planungsideen weiter zu entwickeln.
Frau Hemminger, Abteilungsleiterin für Bezirks- und Ortsteilplanung im Bonner Stadtplanungsamt, erläuterte den TeilnehmerInnen den Unterschied zwischen einem Vorhabenbezogenen Bebauungsplan und einem Angebotsbebauungsplan. Der Vorhabenbezogene Bebauungsplan enthält in der Regel konkretere Festlegungen als der Angebotsbebauungsplan und ist mit einer Frist zur Durchführung der geplanten Maßahmen verbunden. Die Kosten für diesen Plan werden vom „Vorhabenträger“ (Investor) getragen.
Frau Unkelbach, die Sprecherin der Bürgerinitiative, die sich im angrenzenden Viertel gegründet hatte, um Einfluss auf die Planung zu nehmen, erläuterte zuerst, wie konstruktiv die Gespräche mit dem Investor gewesen seien. So habe er eingewilligt, mehr Parkplätze zu schaffen und die Gebäude Richtung Kessenich zu zu gestalten, dass eine Sichtachse in das Gelände hinein von der August-Bier-Straße aus möglich wird. Im späteren Verlauf erklärte Frau Unkelbach, dass die Initiative aber dennoch gegen den Beschluss es Rates zum Bebauungsplan gerichtlich vorgehen wolle. Formal sehe sie Fehler u.a. in der mangelhaften Beteiligungs des Landschaftsbeirates, dessen ablehnendes Votum dem Ratsmitgliedern erst am Tag der Beschlussfassung zur Verfügung gestanden hätte. Inhaltlich störe sich die Initiative vor allem an der Höhe der Bebauung direkt an der Bahn und eines Hauses auf der Fläche.
Nach dieser Ankündigung der Initiative gab es aus dem Kreis der TeilnehmerInnen Kritik an dem Vorgehen der Bürgerinitiative. Sie würde Wohnungsbau in Bonn verhindern und Diskussionsprozesse mit Investoren in Zukunft erschweren. Warum solle ein Investor noch konstruktiv mit einer Initiative verhandeln, wenn diese schließlich gegen den aus ihrer Sicht verbesserten Entwurf dennoch klage. Andere Stimmen betonten das Recht der Initiative auf eine Klage, wenn diese davon ausgehe, dass das Vorgehen von Rat und Verwaltung fehlerhaft gewesen sei.
Von mehreren TeilnehmerInnen vermisst wurde eine klare Perspektive der Bonner Politik in Bezug auf den Wohnungsbau in der Stadt. Eine klare Vision, die politisch breit getragen würde, wäre für alle Beteiligten (Investoren, Planer, Verwaltung und BürgerInnen) von großem Vorteil.
Links zum Bauvorhaben:
- Der Beschluss von Bezirksvertretung Bonn (einstimmig) und Rat (alle außer BBB)
[„Stellungnahmen und Satzungsbeschluss vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 7820-40, Stadtbezirk Bonn, Ortsteil Kessenich; ‚Franz-Lohe-Straße 1a“; Drucksache 1412861NV3 – Beschlussvorlage aus dem Bonner Ratsinformationssystem, pdf, 0,9 MB] - Projektseite des Büros ulrich hartung, das für Garbe Immobilien den begrenzten städtebaulichen Wettbewerb betreut hat sowie den darauf aufbauenden vorhabenbezogenen Bebauungsplan entwickelt hat (10.1.19: nicht mehr verfügbar)
- Artikel im General-Anzeiger zur Veranstaltung, der etwas einseitig die Sicht der Bürgerinitiative wiedergibt.
- Artikel im General-Anzeiger zum Bauvorhaben
- Eine Art Offener Brief „im Namen der Bürgerinitiative »Wohnen an der Reuterbrücke«“ auf einer Internetseite, die anscheinend vom Kleingärtnerverein Bonn-Süd e.V. (kein erkennbares Impressum) betrieben wird.
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Der Autor: Michael Lobeck
Ich moderiere Veranstaltungen und berate öffentliche und private Akteure zu guter Kommunikation in der Stadtentwicklung. Ich halte auch Vorträge zu Sinn und Unsinn von Smart Cities und schreibe Bücher zu dem Thema. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, was ich für Sie tun kann, melden Sie sich gerne bei mir.
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