Seit zehn Jahren diskutieren die Braunschweiger über die Ansiedlung eines ECE-Einkaufcenters, das hinter einer rekonstruierten Schlossfassade errichtet wurde. Eine Fachtagung in der zweitgrößten Stadt Niedersachsens ging diesem Phänomen auf den Grund. Eingeladen hatten der Arbeitskreis Stadtentwicklung des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG) und der Arbeitskreis Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie (DGfG). Die ca. dreißig Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus der Wissenschaft, der Wirtschaftsförderung, der Einzelhandelsberatung und von Planungsbüros. Sie griffen ein Thema auf, das der DVAG schon 2004 auf einer Fachtagung in Braunschweig zur Diskussion gestellt hatte.
Im Mittelpunkt der Tagung stand das Einkaufszentrum „Schloss-Arkaden“, das 2007 eröffnet wurde und von ECE betrieben wird. Vor zehn Jahren war der Neubau des Einkaufcenters auf dem Gelände des sogenannten Schlossparkes in der Stadtgesellschaft sehr umkämpft. Die Auswirkungen der Ansiedlung auf den Innenstadteinzelhandel waren – auch zwischen mehreren Gutachtern – umstritten. Auch der damit verbundene Plan, die Fassade des 1960 abgerissenen Braunschweiger Schlosses zu rekonstruieren und für das neue Einkaufszentrum zu nutzen fand sowohl Anhänger als auch erbitterten Widerstand.
Die „Schloss-Arkaden“ und der neu geschaffene Platz davor würden heute gut angenommen. Hier hätten beispielsweise die Braunschweiger den Aufstieg ihres Fußballclubs „Eintracht Braunschweig“ gefeiert, wie der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer feststellte. Auch habe das „Schloss“, wie es in der Stadt genannt werde, das Selbstbewusstsein der Braunschweiger nachhaltig gestärkt, so Dr. Hüttinger. Ralf Beckmann vom Büro Stadt + Handel zog ein überwiegend positives Fazit. Die Stadt hätte von der Ansiedlung profitiert.
Sehr kritisch sahen der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Braunschweiger Stadtrat, Holger Herlitschke und der Architekt Dr. Holger Pump-Uhlmann das Projekt. Herlitschke betonte, dass insbesondere in den Quartieren der Innenstadt, die weiter von den Schloss-Arkaden entfernt liegen, vermehrt Leerstände zu beobachten seien. Pump-Uhlmann kritisierte besonders die Rekonstruktion der Schlossfassade als Historismus.
Neun Jahre nach der Entscheidung des Stadtrates für den Bau der Schloss-Arkaden und sieben Jahre nach deren Eröffnung scheinen bei den früheren Gegnern des Projekts nicht alle Wunden verheilt zu sein. Dies zeigt die von Michael Lobeck moderierte Podiumsdiskussion. Das Einkaufszentrum und die Diskussion darüber hat Braunschweig aber dennoch eine „Stadtrendite“ gebracht, so das Fazit der Tagung. So hätten die Braunschweiger heute ein stärkeres bürgerschaftliches Bewusstsein als früher. Auch identifizierten sie sich mehr mit ihrer Stadt. Im Arbeitsausschuss Innenstadt arbeiteten die früheren Befürworter und Gegner des Einkaufszentrums heute sehr konstruktiv zusammen, wie der Buchhändler Joachim Wrensch feststellte, der gemeinsam mit seinem Bruder die selbständige Buchhandlung Graff mit großem Erfolg leitet. Holger Herlitschke bekannte, dass die Debatte vor zehn Jahren ihn stark politisiert und zudem motiviert habe, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Bei den Kommunalwahlen am 25. Mai kandidierte er für das Amt des Oberbürgermeisters.
Foto: Kathrin Rieger, CC-BY-20, flickr